11 Meter lang, 72 Meter Gleis, 150 Gebäude und 1.300 Figuren – das ist der Modellbahnbahnhof „Althüttenstadt HBF“.
Seid ihr je vor einer Modellbahnanlage gestanden, die euch so beeindruckt hat, dass ihr euch einfach nicht mehr losreißen konntet? Vor der ihr stundenlang verweilen könntet, völlig vertieft in die Modellwelt? Nun, der Hauptbahnhof Althüttenstadt ist für mich definitiv eine solche Modellbahnanlage. Seit über zehn Jahren kenne ich diesen Bahnhof und er hat über die Zeit keinerlei Faszination für mich eingebüßt. Ich möchte versuchen, euch mit diesem Artikel sowie dem dazugehörigen Video, diese Faszination zu vermitteln.
Gesamtlänge | 11 Meter |
Gesamttiefe | 75 cm |
Gleislänge | 72 Meter |
Weichen | 30 |
Gebäude | 147 |
Bäume | 287 |
Fahrzeuge | 340 |
Figuren | 1.275 |
Leuchtmittel | > 1.500 |
Die Erbauer*innen kommen zu Wort:
†Bernd Bleibler
Der Planer und Kopf hinter dem Bahnhof. Erbauer der Stadt.
Gerlinde Bleibler
Die Miterbauerin, die für alles Grüne zuständig war.
Gerlinde hatte ursprünglich überhaupt nichts mit Modellbau am Hut. Als sie Bernd allerdings aufgrund ihres „schwäbischen Sparfimmels“ darauf aufmerksam machte, dass die ganzen Bäume, die für die Anlage nötig wären, ziemlich teuer seien, wurde sie von Bernd (zunächst nur) zum Baumbau für die Anlage verpflichtet.
Eines Tages zeigte ihr dann Bernd stolz den ersten Abschnitt auf der Anlage, den er begrünt hatte, und sie war entsetzt. Ob das wirklich sein Ernst sei, das gehe ja gar nicht. Von dieser Kritik total entsetzt meinte Bernd daraufhin nur, dass sie das Begrünen selbst machen solle, wenn sie es besser könne.
Gerlinde übernahm die gesamte Grüngestaltung auf der Anlage. Sie schuf das Grün im Stadtpark, die Schrebergärten, die Blumentröge in den Fußgängerzonen oder auch die Blumen- und Kräuterkästen an den Fenster. „[Ihre] Spezialität [waren] jedoch die ungepflegten Unkrautecken – und die gibt es sehr viel in [Althüttenstadt]. Auch die Flachdächer werden davor nicht verschont.“ (Bernd) Und so sprießt und krautet es an jeder Ecke, links und rechts des Bahnkörpers, zwischen und auf den Gebäude oder auch auf den Freiflächen zwischen den Gleisen.
„Es ist einfach schön, wenn man durch die Natur […] und in der Stadt läuft; es ist überall ein bisschen grün. Es ist grün am Straßenrand, es ist Unkraut in den Gärten und es ist einfach faszinierend, wenn man […] am Modul arbeiten kann und das so wie es in der Natur aussieht auch versuchen kann, rüber zu bringen. Ich bin einfach auch ein naturliebender Mensch und ich denke, ich schaue das ganz anders an, wie der Bernd.“ (Gerlinde)
Neben dem Unkraut waren die Schrebergärten auf der Anlage eine weitere große Passion von Gerlinde. Geprägt und inspiriert davon, dass ihre Eltern einen großen Bauernhof mit viel Garten hatten, schuf sie ein erstaunlich detailliertes Gartenparadies. Selbst die einzelnen Pflanzensorten lassen sich dabei erkennen.
Aufgrund ihrer Expertise basierend auf den Gewächshäusern und Obstbäumen im Garten ihrer Eltern, sind die Schrebergärten bis ins kleinste Detail realistisch gestaltet. Schließlich gehört zu einem Garten auch ein „Komposthaufen […], ein Beet, Steine, über die man stolpert, bis man überhaupt am Beet ist, […] Werkzeug, […] eine Kiste, wo ich meinen Abfall reinmache, eine Toilette. Alles Dinge, die man wirklich braucht, und die muss man halt umsetzten.“ (Gerlinde)
Bernd und Gerlinde haben beide einen Hang zur Detaillierung. Bernd wird auch ein Hang zur Perfektion nachgesagt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auf der Anlage unzählige Details versteckt sind. Beispielsweise „stehen im Biergarten auf den Tischen […] Bierkrüge mit Henkeln, die selbstverständlich gefüllt sind. Manche sind auch schon angetrunken. Auf dem Grill sieht man Würste brutzeln und die Teller auf den Tischen sind auch nicht leer.“ (Bernd)
„Auch in der Ausgestaltung der Stadt gibt es fast keine Grenzen. Automaten für Zigaretten, Streichhölzer, Kaugummi, Vivil, PEZ, Fahrkarten, Fahrkartenentwerter, Werbeständer, Plakate, Lidfasssäulen mit Dekors aus den 60er [Jahren]. Selbst am Vespa-Club hängen Originalplakate.“ (Bernd)
Auf der Anlage der Bleiblers sind viele kleine Szenen dargestellt, die von ihrem Alltag inspieriert sind. Zum Beispiel ist Bernds Lieblingseisdiele auf der Anlage verewigt. Selbstverständlich inklusive Eiskarten, Aschenbechern und vollen sowie halbvollen Eisbechern.
Auch die Graffitis an der Mauer zum Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs entstammen einer Inspiration aus dem realen Leben. Ein Graffiti an einer Hauswand, das Bernd immer sah, wenn er in Richtung Albstadt fuhr, hat ihn so fasziniert, dass er das unbedingt auch auf der Anlage haben musste.
In den Gebäuden von Althüttenstadt gibt es einiges zu entdecken – „von der Lagerhalle, über die Fließbandproduktion mit QS-Stelle, den Büroräumen bis hin zu den Chefbüros“. (Bernd). Es sind aber auch diverse Wohngebäude eingerichtet. Wohnräume, Schlafzimmer, Küchen, Bäder und Jugendzimmer sind vollständig ausgestaltet und möbliert.
„Fast alle Läden, Kaufhäuser haben gestaltete Schaufenster und/oder Eingangsbereiche bzw. Verkaufsräume. Zeitungskioske haben nicht nur Inneneinrichtung, sondern sind selbstverständlich auch mit echten Zeitungen, Illustrierten, Modellbahnzeitschriften, usw. bestückt (natürlich in 1:160).“ (Bernd).
Einige der Gebäude auf der Anlage haben geöffnete Türen, sodass man ins Treppenhaus, die Diele oder die Empfangshalle blicken kann. Des Weiteren sind auch einige Gebäude (-Teile) eingerichtet, die überhaupt nicht einsehbar sind – weder von vor noch von hinter der Anlage. Ein Beispiel dafür ist das liebevoll eingerichtete Atrium des Hauptbahnhofs.
Natürlich kommt es, wenn man zu zweit an einer Anlage baut und jeweils sehr genaue Vorstellungen davon hat, wie alles aussehen soll, auch immer mal wieder zu Konflikten. Mit Bernd und Gerlinde trafen tatsächlich sogar zwei deutlich verschiedene Gestaltungsphilosophien aufeinander. Gerlinde war eher für eine realistische Unordnung, während Bernd ein Faible für die Ordnung hatte.
Mal setzte er sich mal sie sich durch. Und so gibt es auf der Anlage sowohl sehr ordentliche Ecken, wo Werkzeug oder Baumaterial feinsäuberlich einsortiert, gelagert wird, als auch Ecken des Chaos und Verfalls, wie zum Beispiel rostende bewachsene Bauteile in abgelegenen Fabrikgeländeecken.
Geschichte des Bahnhofs:
Und wie geht es weiter?
Der Hauptbahnhof Althüttenstadt wird bis heute üblicherweise jährlich im Herbst auf der Messe in Stuttgart im Rahmen der European N-Scale Convention ausgestellt. Wer sich den Bahnhof also einmal in echt anschauen möchte – und das will ich hier ausdrücklich empfehlen – kann dies dort tun. Alternativ gibt es auf unserem YouTube-Kanal @modellbahntreffzollernalb (externer Link) ein ausführliches Video (externer Link) zum Bahnhof inklusive Interview mit Gerlinde Bleibler.